Der Schmerz in einer toxischen Beziehung ist ein starkes, oft überwältigendes Signal. Für das Opfer ist er mehr als nur ein Hinweis auf unglückliche Umstände – er kann zu einem zentralen Aspekt des täglichen Erlebens werden, der tiefgreifende Spuren in der eigenen Identität hinterlässt. Schmerz ist ein Zeichen, eine Art Alarmsignal, das uns zeigt, dass etwas in unserem Leben nicht in Balance ist, dass unsere Grenzen überschritten oder unsere Bedürfnisse ignoriert werden. Doch in toxischen Beziehungen scheint dieser Schmerz häufig nicht ausreichend verstanden oder gar ignoriert zu werden. Warum?
Der entscheidende Unterschied zwischen Schmerz und Leid
Hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen Schmerz und Leid. Schmerz ist eine natürliche Reaktion auf Verletzung – emotional oder körperlich –, die uns darauf aufmerksam machen soll, dass eine Veränderung notwendig ist. Er ist, so unangenehm er auch sein mag, eine Orientierungshilfe, ein Wegweiser. Leid hingegen entsteht, wenn dieser Schmerz andauert, wenn er nicht gelöst, nicht verarbeitet wird und somit eine Art Dauerzustand annimmt. In einer toxischen Beziehung bleibt das Opfer oft in einem Zustand des Leidens gefangen, weil es den Schmerz nicht als Anstoß zur Veränderung verstehen kann oder will.
Ein Grund dafür kann die Manipulation und emotionale Abhängigkeit in einer toxischen Beziehung sein. Opfer werden häufig von ihrem Partner in einem Kreislauf von Schuldgefühlen und Rechtfertigungen gefangen gehalten. Sie werden dazu gebracht, an sich selbst zu zweifeln, ihre Wahrnehmungen und Emotionen zu hinterfragen. Der Partner entwertet ihre Gefühle, relativiert ihren Schmerz und manipuliert sie so, dass sie nicht erkennen können, wie tief sie verletzt sind. Es kann passieren, dass das Opfer den Schmerz nicht als Warnung wahrnimmt. Stattdessen gibt es sich selbst die Schuld oder versucht, sich an die ungesunde Beziehung anzupassen.
Was bewirkt Psychotherapie?
Psychotherapie setzt genau hier an. Sie schafft einen Raum, in dem das Opfer seinen Schmerz wahrnehmen und verstehen kann. Und das ohne die Wertungen oder Manipulationen des toxischen Partners. In der Therapie wird der Schmerz nicht als etwas verstanden, das man einfach „ertragen“ muss, sondern als Botschaft des Lebens. Psychotherapie kann das Opfer dazu befähigen, die Beziehung zu sich selbst zu stärken, wieder Vertrauen in die eigene Wahrnehmung zu entwickeln und die eigenen Grenzen zu erkennen und zu wahren.
Ein zentraler Punkt in der therapeutischen Arbeit ist die Unterscheidung zwischen Schmerz und Leid. Der Schmerz, den das Opfer empfindet, soll als Wegweiser wahrgenommen werden. Als ein Ruf nach Veränderung und nicht als Schicksal, das es passiv zu ertragen gilt. Wenn das Opfer versteht, dass der Schmerz ihm etwas sagen will – nämlich, dass es in der Beziehung etwas Grundlegendes zu verändern gilt oder dass ein Ausstieg nötig ist – kann es den ersten Schritt aus dem Kreislauf des Leidens heraus machen.
In einer gesunden therapeutischen Beziehung lernt das Opfer, seine eigenen Emotionen zu deuten, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und für sich selbst einzustehen. Psychotherapie ist also der Ort, an dem das Opfer erkennt, dass es nicht für das Leiden bestimmt ist, sondern dass das Leben ihm durch den Schmerz den Weg aus der toxischen Beziehung weisen will.
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